LIGHTNESS 4

Exklusiv Interview mit Gurtzeug Designer Patrick Bieri

Patrick Bieri, Du bist seit 13 Jahren ADVANCE Gurtzeug-Designer. 
Immer wieder hast Du es geschafft neue Maßstäbe in der Gurtzeugentwicklung zu setzen. Wie erreicht man einen Entwicklungs-Vorsprung und wie gelingt es Dir ihn zu halten?
Das Rezept ist eigentlich auf den ersten Blick relativ einfach: entwickle keine unnötigen Details und finalisiere diejenigen, die du verbaust.
Es gibt für mich kein grösseres Ärgernis als Dinge, die nicht funktionieren. Kaufe ich beispielsweise einen Schraubenschlüssel im „Fachmarkt“, welcher sich beim ersten Einsatz in alle Richtungen verbiegt, so komme ich leicht in Rage…  Dieser Grundsatz, genügend Ausdauer bei der Umsetzung sowie das Testen in realen Bedingungen waren stehts die Zutaten für meine Produkte.
Mit diesem Grundsatz und natürlich mit der damit verbundenen, langen Ausdauer bei der Umsetzung, sind mir immer wieder ansehnliche Produkte gelungen.
Wie ist es Dir gelungen, den Komfort und die Passform vom neuen Lightness 4 nochmals zu steigern?
Das Lightness 3 zu verbessern war in der Tat eine Herkules- Aufgabe. Wenn man ein gut funktionierendes Gurtzeug hat, welches sich nach über 4 Jahren immer noch gut verkaufen lässt fragt man sich schon, wo man ansetzten will. Ein Update der Farben wäre der einfachste Weg gewesen…
Der Sitzkomfort vom Lightness 3 war stehts Top und musste nicht verbessert werden. Also konzentrierte ich mich auf den Flugkomfort und den Luftwiderstand. Ich stellte mir die Frage, wie es möglich ist in einer liegenden Position zu fliegen bei gleichbleibender Übersicht und gutem Gefühl? Das heisst, die Position vom Kopf muss bleiben und der rest des Körpers muss sich verschieben. Der Schwerpunkt verschob sich dadurch um ca. 7cm nach vorne, was den Oberkörper mehr neigt und dabei, wie gesagt, den Kopf an gleicher Position belässt. Dies erforderte eine neue Sitzgeometrie, was einen 3D Bodyscan auf den Plan brachte. Obwohl die Sitzschale beim ersten Eindruck derjenigen des Lightness 3 sehr ähnlich sieht, beruht sie auf einer komplett neuen Konstruktion. Es benötigte Einiges an Prototypen und Fleiss, bis ich eine Passform auf Augenhöhe mit dem Lightness 3 hinkriegte. Ich konnte zudem den Sitzkomfort verbessern, indem ich einen weichen Memory Schaum direkt am Rücken des Piloten verbauten und so jedem individuellen Körperbau gerecht werden. Die tragende Struktur befindet sich hinter diesem Schaum und gibt den nötigen Halt und die Festigkeit. Wichtig dabei: die Rückenabstützung ist sehr komfortabel ohne jeglichen Einsatz von hart plastik. Sprich, das Gurtzeug ist wiederum sehr langlebig und lässt sich ohne Bedenken packen.
Zum Komfort gehört für mich auch die Bedienung. Alles muss selbsterklärend, sicher und einfach funktionieren. So konnten wir auch beim Notschirmfach nochmals einen draufsetzen und die Schliessung deutlich vereinfachen. Ein loop, ein Kabel. Ich hoffe der Weg sei nun geebnet für fehlerlose Einbauten des Notschirms. Die Auslösung lässt ebenfalls sämtliche Zugrichtungen zu und wurde ausgiebig im G-Force Trainer in Dallenwil getestet.
Wem empfiehlst Du persönlich das Weightless und wem das Lightness 4? Weshalb?
Beim LIGHTNESS 4 kommen ganz klar die robusteren Materialien zum Einsatz. Mir rund 3.5kg in der Grösse M ist es auch deutlich schwerer als ein Weightless, jedoch für ein vollwertiges Liegegurtzeug nach wie vor leicht. Mit der liegenden Grundposition und dem grosszügigen Cockpit eignet sich das Lightness 4 für Streckenpiloten, welche keine Kompromisse im Flug eingehen wollen. Alles ist für das Fliegen ausgelegt. Trotzdem würde ich das Lightness 4 auch Piloten empfehlen, welche sich erstmals an eine Liegegurtzeug wagen. Es kann nach wie vor aufrecht geflogen werden und steckt, wie gesagt, eher mal einen zu tiefen Flair weg.
Du bist einer der erfolgreichsten, wenn nicht der erfolgreichste Gurtzeug-Designer überhaupt und hast deinen Job bei ADVANCE kürzlich gekündigt – viele Pilotinnen und Piloten werden das sehr bedauern: Wie kam es so weit?
13 Jahre habe ich Gurtzege entwickelt. Das ist eine lange Zeit. Seither hat sich auch privat bei mir viel verändert. Ich brauchte einfach eine Veränderung. Zudem bin ich nicht der Typ, der jetzt an allem nachtrauert, was noch hätte kommen können, sondern bin dankbar und zufrieden mit dem was ich erleben durfte. Es wäre auch nicht fair das alles für mich zu beanspruchen, ich gebe gerne meinen Platz einem anderen, motivierten Entwickler weiter. Ich bin auch überzeugt davon, dass dies der ADVANCE Palette guttun wird und neuen Wind in die Produkte bringt.
Viele der Jungs aus dem Entwicklungsteam sind gute Freunde geworden und mir ans Herz gewachsen. Somit ist es für mich kein Abschied für immer, sondern nur eine Verlagerung unserer gemeinsamen Aktivitäten.
Wie sieht ein Streckenflug-Gurtzeug aus deiner Sicht in Zukunft aus?
Wenn ich das wüsste…
Es gibt so viele Subprojekte, an welchen man ansetzen kann. Sei das der Protektor, die Aerodynamik, die Notschirmthematik, das Textil im allgemeinen, der Flugkomfort, das Packvolumen etc… Nichts davon ist ausgereizt und bietet nach wie vor viel Potential.
Im Moment ist es sehr spannend. Jeder Hersteller spezialisiert sich in irgend eine Richtung, alles ist offen. Werden sich die dünnen Koroyd- oder Niviuk Protektoren etablieren? Werden die U-Boote Massentauglich? Oder fliegen wir in Zukunft gar mit dem Bauch nach unten?