Restrisiko?

Ein Erlebnisbericht

Text: Simon von Fischer & Bänz Erb, 2021
Foto: Fabian Equey


Just Culture

Vorwort von Bänz

An einem heissen Nachmittag im August genoss ich beim Landeplatz Stechelberg zusammen mit meinem Tandempassagier ein kühles Getränk. Der Blick Richtung Schwarzmönch war durch Sonnenschirme verdeckt. Als mein Blick mal in diese Richtung ging, sah ich einen Gleitschirm oberhalb einer Felswand hängen. Der Pilot befand sich in der Wand, sein Schirm hatte sich oberhalb in kleinen Bäumen verfangen. Kurz darauf begann die Rettung per Longline. Wie zu erwarten, erschienen am Folgetag die Bilder in den Medien. Der Blick titelte: «Gleitschirm-Pilot wird sepktakulär aus Felwand gerettet». Der Artikel schliesst mit den Worten: «Der Pilot hat riesiges Glück: Er bleibt fast unversehrt.» [i]

Zwei Tage nach dem Zwischenfall erreichte mich eine Mail von genau diesem Piloten. Er möchte den Vorfall im Gespräch mit einem Mentaltrainer und Fluglehrer einordnen. Zudem möchte er dazu beitragen, dass andere etwas lernen können. Simon möchte «andere Piloten/Flugschüler davor bewahren, das Glück so herausfordern zu müssen.» Dieser Wunsch ebnete den Weg, gemeinsam diesen Text zu veröffentlichen.
Ich habe Respekt davor, wie produktiv Simon mit seinem Zwischenfall umgeht und wie offen er seine Gedanken teilt. Ehrliche Selbsteinschätzung ist in unserem Sport eine Kunst, die regelmässiges Training erfordert.

Der offene Austausch über Zwischenfälle wird in der Luftfahrt «Just-Culture» [ii] genannt. Das Melden von kritischen Zwischenfällen bleibt straffrei, während das Vertuschen geahndet wird. Das Ziel des gemeinsamen Lernens aus Zwischenfällen wird höher gewichtet als das Prestige des betroffenen Piloten. Man überwindet das Wunschbild des unfehlbaren Helden der Lüfte und konzentriert seine geistige Energie darauf, wie man die Risiken in komplexen Systemen senken könnte. Das gelingt nur mit einem Kulturwandel in Organisation, Gesetz und Fliegerszene. Just Culture benötigt passende Rahmenbedingungen, die in einem längeren Prozess entwickelt werden. Der Weg führt von einer «Blaming Culture» hin zu einer «Learning Culture»: Statt einen Schuldigen zu suchen, werden solche Ereignisse als Dünger für Lernprozesse gesehen.

Obwohl man aus den Berichten über Zwischenfälle viel lernen kann, bergen sie die Gefahr in sich, andere Piloten zu verunsichern und ihnen den Spass am Sport zu trüben. Es gilt also, Nutzen und Schaden abzuwägen.

Bei Simons Erlebnis schwankt meine Waage: Obwohl ich aus dem Bericht Schlüsse für mein eigenes Risikomanagement ziehen kann, lässt er sich für mich nicht in eine Schublade verstauen. Denn als Pilot sehne ich mich jeweils nach einer einfachen Ursachenerklärung: «Mach in Situation X immer Y, und du bist sicher unterwegs». Anstelle dessen bleibt eher die Frage nach dem Restrisiko unseres Sports in der Luft hängen. War Simon einfach zur falschen Zeit am falschen Ort? Selbstverständlich erhöht genug Abstand zum Hang die Sicherheitsmarge. Doch um hangnahe Thermik zu nutzen, muss man sich hangnah in turbulenter Luft bewegen – sonst steht man bald am Landeplatz, während die anderen hoch oben drehen und ihren Spass haben. Vielleicht wird man zusätzlich zum Absauf-Frust noch mit der Frage konfrontiert, weshalb man denn so früh landen gegangen sei?
Wo setze ich in turbulenter Luft die Grenze zwischen Kämpfen und Fliehen? Anspruchsvoll wird diese Entscheidung zudem, wenn an besagter Stelle ein Jahr vorher erfolgreich hangnah in thermischer Luft geflogen wurde. Und weshalb sollte ich genau dann wegfliegen, wenn mir fünf andere Gleitschirme das Steigen anzeigen?

Ich könnte meine innere Spannung angesichts dieses Textes auch auflösen, indem ich den Piloten abwerte und zum Täter mache. Ich könnte dazu den «Glauben an eine gerechte Welt» [iii] bemühen: Eine gerechte Welt ist überschaubar und hat klare SpielregeIn. Jeder kriegt, was er verdient. Schlechten Menschen passieren demzufolge schlechte Dinge. Also war der Pilot halt einfach ein schlechter Pilot. Da ich mich hingegen als guten Piloten einschätze, wäre meine Welt wieder in Ordnung und ich bräuchte mich beim hangnahen Thermikflug am Schwarzmönch nicht vor heimtückischen Turbulenzen zu fürchten.

Oder vielleicht löse ich das Problem der inneren Spannung angesichts dieses Textes mit Ignoranz, indem ich den Bericht gar nicht lese? Vielleicht verfüge ich über gute Vermeidungsstrategien, damit ich solche Gedanken in turbulenter Luft ausblenden kann? Die individuellen Bewältigungsstrategien sind zahlreich und haben jeweils ihre Vor- und Nachteile.

Dieser Beitrag stützt sich auf die Position, dass eine offene Kommunikation über Zwischenfälle in unserem Sport sowohl für den Betroffenen wie auch für die Szene von Nutzen ist. Denn Risiken verschwinden ja nicht, wenn man sie verschweigt. Selbstverständlich darf in der Szene kontrovers diskutiert werden, welche Vor- und Nachteile eine offene Kommunikation über Zwischenfälle und Risiken hat.

Wie dem auch sei, Simons Erfahrungsbericht bietet eine Gelegenheit, seinen eigenen Umgang mit Negativmeldungen im Gleitschirmfliegen zu beobachten. Auch dies gleicht einer Kunst, die Training erfordert: Aus Zwischenfällen lernen, sich dabei aber nicht unnötig verunsichern lassen.


Text von Simon

11.8.2021

Am Vorabend des geplanten Hike&Fly ist die Wetterlage noch etwas unklar. In der Höhe ist Wind prognostiziert und am frühen morgen noch hie und da ein Regenschauer. Danach aber Wetterbesserung. Als Ziel für den morgigen Tag haben wir das Lauterbrunnental. Wir machen ab, dass wir uns in Thun auf dem Zug Treffen und dann aufgrund der aktuellen Wettersituation noch definitiv entscheiden, welchen Weg wir genau einschlagen. Tags darauf treffen wir uns wie vereinbart auf dem Zug. Das Wetter scheint noch unwillig für fliegerische Aktivitäten und es ist Richtung Interlaken noch recht wolkenverhangen. Mein Flugfreund und ich sind schon einige Male zusammen unterwegs gewesen und so starten wir auch heute ohne grosse Erwartungen. Er hat Ferien und ich habe einen freien Tag, den ich sowieso geniesse, egal ob’s fliegt oder nicht. Wir beschliessen wie geplant ins Lauterbrunnental zu fahren und Richtung Rottalhütte zu gehen. Auf halber Höhe des Hüttenwegs gibt es geeignete Matten, von denen gut gestartet werden kann. Im Zug nach Lauterbrunnen gibt es noch leichte Regenschauer, aber man kann hinten im Tal schon einzelne blaue Löcher am Himmel erkennen. Von Lauterbrunnen fahren wir mit dem Postauto bis zur Endstation Rütti und gönnen uns noch gemütlich einen Kaffee im Restaurant. Als wir wieder heraus kommen ist der Himmel schon fast komplett klar. Zuversichtlich machen wir uns auf den Weg Richtung Hütte. Während des Aufstiegs bessert sich das Wetter weiter und wird allmählich zu einem strahlenden Sommertag. Nach schweisstreibenden 1046 Höhenmetern erreichen wir unseren Startplatz in der Madfura. Wir geniessen das mitgebrachte Mittagessen, die Aussicht und schauen ein paar Gleitschirmen zu, die auf der anderen Talseite nach Thermik suchen. Es scheint noch wenig Thermische Aktivität zu geben und wir lassen uns Zeit. Wir haben nicht vor auf Strecke zu gehen, aber ein wenig den Flug verlängern und ein bisschen oben bleiben wäre eine nette Zugabe zu diesem ohnehin schon wunderschönen Hike&Fly.

Um 14:30 starten wir bei perfekten Startverhältnissen. Die erste halbe Stunde Soaring ist eigentlich eher verlangsamtes Sinken bis auf halbe Abflughöhe. Danach wird es besser und ich gewinne wieder gut an Höhe. Es sind nicht ganz einfache, etwas turbulente, Verhältnisse und es braucht Geduld und Konzentration. Ich merke, dass ich mich ab und zu bewusst etwas entspannen muss in meinem Sitzgurtzeug. Nach einer guten Stunde Soaring zusammen mit meinem Freund und weiteren vier Gleitschirmen sehe ich etwas vor mir ein Tandem mit gutem Steigen und folge ihm. Kontinuierlich steige ich bis zum Wendepunkt unterhalb des Mönchsbüffels, drehe um und steige weiter.

Plötzlich wird das Steigen stärker und ich merke, wie es mich leicht in Richtung Felswand zieht. Während ich noch weiter steige, zeihe ich etwas die Aussenbremse um von der Felswand weg zu kommen. Genau in dem Augenblick falle ich aus dieser aufsteigenden Luft und der Schirm schiesst heftig vor. Es geht alles sehr schnell und doch sehe ich meinen Schirm wie in Zeitlupe horizontal vor mir. Mein Gedanke: Der Schirm wird jetzt klappen und dann wird etwas ganz Arges passieren. Ich erwarte einen Frontklapper aber der Schirm klappt eher links auf der Seite, wo sich die Wand befindet. Jetzt werde ich durchgeschüttelt und verliere komplett die Orientierung. Es gibt keine Gedanken und kein überlegtes Handeln mehr. Alles passiert einfach. Das nächste was ich wieder bewusst wahrnehme ist, dass ich links über die Schulter blickend sehe, wie ich auf die Felswand zu schwinge. Intuitiv ducke ich mich für den Aufprall zusammen und schon knallt es.

Danach Stille. Ich schaue hoch und sehe, dass sich mein Schirm in ein paar Föhren verfangen hat, die über einer abfallenden Wand auf einem Vorsprung wachsen. Ich bin ganz ruhig. Keine Panik, spüre kaum Schmerz. Erste Gedanken schiessen mir durch den Kopf: Was sage ich meiner Frau? War das jetzt wirklich nötig? Ich baumle einen knappen Meter von der Wand entfernt vor einem vertikalen Riss. Als Kletterer ist mir das Gefühl, hoch oben in einer Felswand zu hängen, nicht fremd. Ich weiss, ich werde jetzt mit dem Helikopter gerettet werden. Mit meinem Freund bin ich per Funk verbunden. Er meldet sich bei mir: «Hey ich hab’s mitbekommen und bin am Landeplatz. Wie geht es dir?» «Ich bin OK» antworte ich. Nach Absprache melde ich mich selbst bei der REGA. Sie alarmieren die AirGlacier und sagen, sie melden sich wieder bei mir. In der Zwischenzeit ziehe ich mich an den Riss heran. Ich denke, ich könnte die 2-3m am Riss entlang hochklettern und auf dem Vorsprung warten, verwerfe aber den Gedanken wieder, da ich auf keinen Fall noch ein zweites Mal mit einem Fall den Schirm belasten will. Ich ziehe stattdessen den unbenutzten Beschleuniger zwischen meinen Beinen hoch und lege ihn um eine kleine Felsspitze. So habe ich eine minimale zusätzliche Sicherung, da ich nicht weiss, was mit dem Schirm im Abwind des Helikopters passieren wird.

Nach weiteren 5 min ist der Helikopter der AirGlacier mit der Longline da. Zwei Bergetter werden oberhalb meiner Position auf dem Vorsprung abgesetzt. Der eine sichert und der andere seilt sich zu mir ab. Da ich zu keiner Zeit bewusstlos war und auch sonst keine schweren Verletzungen zu haben scheine, gelingt die Rettung relativ einfach. Wir versuchen noch den Schirm beim Hochziehen mitzunehmen. Doch er ist zu sehr in dem Baum verhängt und wir kappen die Leinen.

Im Hangar wartet ein Arzt um eine erste Einschätzung zu machen. Ich scheine den Aufprall recht gut überstanden zu haben. Trotzdem werde ich im Spital Interlaken zur Kontrolle angemeldet. Langsam werden die Schmerzen spürbar. Ich melde mich bei meiner Frau und sage, dass ich einen Unfall hatte aber alles OK sei. Ein Mitarbeiter fährt mich zum Spital. Röntgen, Ultraschall, Blutbild usw. Alles OK. Rippen sind geprellt oder gebrochen, aber nicht verschoben. Das heisst nach 4-5 Wochen mit Schmerzmitteln sollte ich keine körperlichen Schäden mehr haben. Glück im Unglück. Mein Bruder holt mich im Spital ab und ich sehe auf der Heimfahrt kurz vor Spiez einen wunderschönen Sonnenuntergang. Kitsch pur. Ich bin froh meine Frau und mein kleiner Sohn zuhause in die Arme nehmen zu können.

Und jetzt? Ende gut alles gut? Schirm kaputt, Schmerzen gross, erstmal nichts mit Fliegen. Klar. Doch allmählich kommt das Gedankenkarussell. Krass…ich hab’s überlebt! Ist das mein zweiter Geburtstag? Warum? Was habe ich falsch gemacht? Habe ich überhaupt etwas falsch gemacht? Wars Restrisiko? Kann ich jetzt nie mehr fliegen? Will ich das denn noch? Wie ist das für mein Umfeld, wenn ich sage, ich will wieder Fliegen? Ist das Verantwortungslos mit Frau und einem kleinen Kind? Etc.

Ich melde mich bei einem Mentalcoach, verabrede mich zu einem sogenannten Entlastungsgespräch. Der Coach ist auch Fluglehrer und so habe ich jemanden, der versteht, von was ich rede. Das Gespräch hilft. Es gibt keine konkreten Antworten auf meine Fragen. Dafür das Verständnis, dass diese Fragen zwar da sein und nie abschliessend beantwortet werden können, das aber OK ist.

Ich habe das Brevet seit 2016. Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte ich ca. 225 Flüge (inkl. Flugschule) und an die 150h Airtime. Ein paar kleinere Streckenflüge von 1-4 h und 10-40 km. Ich habe keinen SiKu gemacht. Ich habe einige Male als Startleiter geholfen und dabei unter Anleitung Stallpunkt erflogen. Ich flog zum Zeitpunkt des Unfalls einen Schirm der Klasse (low)B und ein Sitzgurtzeug mit Airbag. Meiner Ansicht nach war ich immer eher defensiv unterwegs. Hatte nie Probleme auch mal umzukehren oder nicht zu fliegen, wenn es nicht passt. Scheute mich jedoch auch nicht davor Herausforderungen anzunehmen und etwas zu wagen. Für mich war das Gleitschirmfliegen, so wie ich es betrieb, mit der Verantwortung der Familie gegenüber vereinbar.

Ob mein Unfall mit mehr Training und Erfahrung vermeidbar gewesen wäre, kann niemand genau sagen. Fakt ist, dass man in so einer Situation nicht ansatzweise Zeit hat, um zu überlegen, was die angebrachte Reaktion ist. Das gelingt höchstens intuitiv. Ich habe z.B. nicht die geringste Ahnung, ob ich die «Hände hoch» hatte oder nicht.

Mittlerweile bin ich eigentlich recht klar der Überzeugung, dass ich mit meinen Flug-Skills dort nicht hätte fliegen sollen und auch die vorher gemachten Flüge vor allem deshalb so gut gelaufen sind, weil das Restrisiko eben doch recht klein ist. Mit so wenig Erfahrung und Training ist eine intuitiv richtige Reaktion bei so einem Ereignis nicht möglich. Um in solchen Situationen intuitiv richtig reagieren zu können, braucht es regelmässiges Training. Der gleiche Klapper in freier Luft, wäre wahrscheinlich auch ohne ideale Reaktion kaum ein Problem gewesen. Nicht aber in Geländenähe, wo es wichtig ist, in der gewünschten Flugrichtung zu bleiben.

Ob ich wieder fliegen werde, weiss ich Momentan noch nicht. Ich möchte aber sicher noch mindestens einen Flug machen, um zu schauen wie mein Gefühl dabei ist. Ausserdem möchte ich nicht, dass mein Unfallflug der letzte Flug war. Das wäre ein unschöner Abschluss, wenn ich mich dazu entscheide vorläufig nicht mehr zu fliegen. Falls doch, dann wird es sicher eher im Bereich Hike&Fly sein, wo es nicht darum geht, den Flug zu verlängern, sondern einfach zu geniessen. Deswegen habe ich ja eigentlich auch mit dem Gleitschirmfliegen angefangen. Für Thermik- und Streckenflüge, wo man zwangsläufig früher oder später in der Nähe des Geländes fliegt, habe ich momentan schlicht zu wenig Zeit, um so oft zu fliegen, dass ich das nötige Training habe und es somit für mich weiterhin verantwortbar wäre. Wenn ich das Fliegen in thermischer Luft und nahe am Gelände auf ein Minimum reduziere, sprich nur noch Abgleiter mit geplantem Start- und Landeplatz mache, sollte ich somit einen Umgang mit dem Fliegen finden können, der sowohl für mich, als auch für mein Umfeld stimmt.

Ich hoffe, dass mein Erlebnisbericht anderen Piloten dabei hilft, für sich selber die richtigen Schlüsse zu ziehen, damit möglichst viele solche Vorfälle vermieden werden können. Soviel Glück im Unglück zu haben ist selten!


Let’s talk about it!

Nachwort von Bänz

Simons Offenheit beeindruckt mich. Nur selten erhält man einen detaillierten Einblick in die kreisenden Gedanken eines verunfallten Piloten. Ich bitte die Leserschaft im Sinne einer gelebten «Just Culture», dieser Ehrlichkeit mit Respekt und Vertrauen zu begegnen.

Simon beschreibt, dass die Geschichte nach erfolgter Rettung noch nicht zu Ende ist. Wenn der Körper in Sicherheit ist, folgt eine Zeit der psychischen Verarbeitung. Statt sich über den glücklichen Ausgang zu freuen, füllen Zweifel und Grübeleien den Geist: Was habe ich falsch gemacht? Was denkt meine Familie über mich? Was denken andere Piloten über mich? Darf ich dieses Hobby meiner Familie noch zumuten?
Das Aufschreiben dieser Gedanken kann bereits hilfreich sein. Man verschafft sich etwas Distanz zu ihnen.

Ein Absturz mit dem Gleitschirm in felsigem Gelände sprengt den Rahmen des alltäglichen Erlebens. In Folge können die normalen psychischen Verarbeitungsmechanismen überfordert sein. Das Erlebnis bleibt unverarbeitet zurück und ordnet sich nicht in das Alltagserleben ein. Je nach persönlicher Voraussetzung können diese Ereignisse in Folge sehr belastend und potentiell traumatisch sein.

Solche Ereignisse beim Gleitschirmfliegen führen häufig zum Aufgeben des Sports oder zu Flügen mit vermehrter Anspannung und Angst. Ein strukturierendes Gespräch, welches das Erlebte auf verschiedenen Ebenen einordnet, kann helfen, Anspannung, Angst und Stress zu reduzieren. In Einsatzorganisationen wie Polizei, Feuerwehr, Sanität oder auch in Teams auf Notfallstationen werden nach belastenden Einsätzen solche Gespräche durch Peers (erfahrene Kollegen mit Zusatzausbildung) geführt. Die einfachste Form eines solchen Gespräches ist das Kollegiale Entlastungsgespräch [iv]. Häufig gelingt es, mit dem Gespräch eine Verarbeitung des Erlebten anzustossen oder zu verbessern. Zudem verfügt der ausgebildete Peer über minimales psychologisches Wissen, um bei Bedarf weitergehende Betreuung zu empfehlen.

Es ist ganz normal, wenn Flüge nach einem Zwischenfall von starken Emotionen begleitet werden. Es handelt sich dabei um normale psychische Reaktion auf ein aussergewöhnliches Ereignis. Oft klingen diese Reaktionen mit der Zeit ab. Zudem kann man selbst Wichtiges dazu beitragen, um das Erlebnis zu verarbeiten. Problematisch für die Verarbeitung ist eine Vermeidung des Fliegens. Dies könnte sich darin äussern, dass man immer neue Gründe findet, weshalb man gerade jetzt nicht fliegen gehen kann. Oder dass man spätestens am Startplatz jeweils kehrt macht.

Let’s talk about it! Reden hilft bei der Verarbeitung des Erlebten. Ist die zuhörende Person zudem in Gesprächsführung geschult, kann das Gespräch noch mehr Wirkung entfalten. Üblicherweise finden diese Gespräche in einem geschützten Rahmen statt und es gilt seitens des Zuhörenden die Schweigepflicht. Eine Veröffentlichung solcher Erfahrungsberichte findet nur statt, wenn es Wunsch des Betroffenen ist und im Sinne einer gelebten «Just Culture» von Nutzen erscheint.

Simon wünsche ich für seine Zukunft alles Gute: Sei es in der Luft oder am Boden. Egal, ob er sich seinen Ausgleich zum Alltag am Gleitschirm oder sonst wo gönnt – möge er das Erlebnis weiterhin positiv verarbeiten und persönlich daran wachsen.


Feedbacks bitte an Simon flexmaster37@gmx.ch oder Bänz bendicht@chilloutparagliding.com


[i] https://www.blick.ch/news/einsatz-der-air-glaciers-im-lauterbrunnen-tal-gleitschirm-pilot-wird-spektakulaer-aus-felswand-gerettet-id16746197.html

[ii] https://www.justculture.ch/was-ist-just-culture

[iii] https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/gerechte-welt-glaube

[iv] Hausmann, C. (2016). Interventionen der Notfallpsychologie. Was kann man tun, wenn das Schlimmste passiert? Wien: Facultas.

Wie geht es dir am Startplatz?

Umgang mit Emotionen im Sport

Wie im Sport allgemein, gehören auch im Fliegen Emotionen dazu. Die Tatsache, dass der Mensch von Natur aus nicht für den Lebensraum Luft vorgesehen ist, erhöht die Wahrscheinlichkeit auf intensive Emotionen zusätzlich. Berichten von Piloten zufolge reicht das Kontinuum an Emotionen von totalem Glück und mystischer Ein­heits­er­fah­rung bis hin zu Panik aufgrund von Kontrollverlust. Ganz allgemein gefragt: Ist das Erleben intensiver Emotionen womöglich eines der Motive, überhaupt mit dem Fliegen anzufangen?

– November 2020 | Bänz Erb, Mentaltrainer Sport IAP und Fluglehrer SHV
– Dieser Beitrag erschien in gekürzter Fassung im Swiss Glider 1/2021
– Foto oben: Andy Jäggi


Was sind Emotionen

Die Psychologie ist die Wissenschaft des menschlichen Erlebens und Verhaltens. Sie definiert eine Emotion als einen aktuellen psychischen Zustand, der mit Veränderungen der körperlichen Erregung, des subjektiven Erlebens (Gedanken und Gefühle), und des Verhaltens einhergeht. Emotionen können negativ oder positiv empfunden werden. Angst, Ärger, Scham, Schuld und Traurigkeit sind Beispiele für negative Emotionen. Freude, Zufriedenheit, Entspanntheit, Sicherheit und Verbundenheit sind Beispiele für positive Emotionen. 

Die Sportpsychologie beschäftigt sich mit dem Erleben und Verhalten im Sport. Aus Messungen werden Theorien und Hypothesen abgeleitet, die im Anschluss wiederholt mit Experimenten geprüft werden. Was der Prüfung nicht standhält, wird verworfen. Was wiederholten Prüfungen verschiedener Wissenschaftler standhält, wird als «vorläufig gültig» erklärt. Somit entwickelt sich das Wissen stets weiter und bleibt auf dem neuesten Stand. Aktuell bewährte Theorien können schon bald durch neue abgelöst werden. Oft widersprechen sich die Resultate einzelner Studien und erst in der Auswertung vieler Einzelstudien (Metaanalyse) lassen sich gewisse Effekte situationsübergreifend belegen. Gelegentlich fallen jedoch die Effekte recht bescheiden aus. Es gibt demzufolge nicht „Die Psychologie“ oder „Die allgemeine Lösung für alles“, sondern eine Sammlung von Theorien und Methoden, die sich unter gewissen Bedingungen bewährt hat. Einmal mehr muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass menschliches Erleben und Verhalten eine höchst individuelle Angelegenheit sind. Es handelt sich jeweils um eine Wechselwirkung aus Person und Situation. Dieses Fazit kann ernüchternd sein. Doch das Wissen um die Komplexität eines Themas kann zu einer gewissen Bescheidenheit anregen. Man muss die Situation stets neu beurteilen und genau hinschauen. Die wissenschaftliche Methode hilft dabei, sich beim Überprüfen der Behauptungen nicht selber zu täuschen.

Im Hinblick auf die sportliche Leistung muss noch differenziert werden, dass gewisse negative Emotionen die Leistung verbessern, während gewisse positive sie verschlechtern können. Beispiel: Zu entspannt und zu selbstsicher kann man seine Leistungsziele am Tag X auch verfehlen. Dieses leistungssteigernde Muster aus positiven und negativen Emotionen ist individuell. Der Sportpsychologe Yuri Hanin beschreibt es mit dem Modell der Individual Zones of optimal Functioning (IZOF). Abb. 1. zeigt das individuelle Profil eines Elite Karate Athleten (nach Robazza, 2006). 

Abb.1: Anhand der roten und grünen Bereiche ist ersichtlich, welche Emotionen seine Leistung verbessern (+, functional emotion) oder verschlechtern (–, dysfunctional emotion).
Beispiele: Zu den negativen Emotionen, welche die Leistung dieses Karate-Athleten verbessern (N+), gehören: Anspannung, Nervosität, gereizt sein, Schmetterlinge im Bauch, Muskelzittern und Ziehen im Magen.
Zu den positiven Emotionen, welche seine Leistung verschlechtern (P-) gehören: Faulheit, Stolz, Gelassenheit, entspannte Muskeln, Gähnen und ein regelmässiger Herzschlag.

Es gibt Berichte von Sportlern, die sich kurz vor dem Start fast übergeben müssen vor Anspannung, dann jedoch eine gute Leistung zeigen am Wettkampf – also eine negative Emotion, welche eine Leistungssteigerung zur Folge hat. Ein Bergführer berichtet, dass er vor einer schwierigen Tour schlecht schläft und sich alle Worst-Case-Szenarien ausdenkt. Auf der Tour hingegen ist er dann in einem optimalen Leistungszustand. Als er ausnahmsweise mal vor einer Tour gut schlief, war er auf der Tour mental in einem schlechten Zustand und hatte Schwierigkeiten im Vorstieg einer exponierten Kletterei. 

Eine Emotion bezieht sich auf eine Situation, die für die Person von Bedeutung ist. Das kann zum Beispiel ein überfüllter Startplatz bei anspruchsvollen Windverhältnissen sein. Ein Startabbruch könnte als Blamage unter Publikum stattfinden und den Selbstwert bedrohen.

Foto: Roman Di Francesco | Startplatz El Bosque, Algodonales

Herausforderung oder Überforderung?
(Eustress und Distress)

Pilot A, der zwei Flüge pro Monat macht, fühlt sich durch diese Situation gefordert oder sogar überfordert. Sein Körper bereitet ihn auf diese subjektiv empfundene Gefahr mit einer Alarmreaktion vor. Diese erregt seinen Körper, was sich in einer Veränderung der Atmung, des Herzschlages und der Muskelanspannung bemerkbar macht. Selbstzweifel, Unsicherheit, Ängstlichkeit und Sorgen gesellen sich zu inneren Bildern von Startabbrüchen. Nun ist der Pilot in einer Stressreaktion (Distress, unangenehmer Stress). Durch die Alarmreaktion werden die Bewegungen bei den Startvorbereitungen grobmotorisch und unkoordiniert. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird die Alarmreaktion seine Leistung beim Start verschlechtern. Auch gedanklich kann er nicht mehr alle Aspekte aufnehmen, denn sein Fokus ist eingeengt auf die vermeintliche Gefahr. Er ist nahe davor, die Situation mit Kampf oder Flucht zu bewältigen, wie es bei unseren fernen Vorfahren der Fall war – da hätte diese Reaktion die Chancen aufs Überleben erhöht. Unsere automatischen Reaktionen sind also für das Leben eines Jägers und Sammlers optimiert, aber nicht für das Fliegen. 

Pilotin B macht vier Flüge pro Woche und erkennt in dieser Situation eine willkommene Herausforderung. Sie schätzt ihre Ressourcen als ausreichend ein, um diese Situation zu meistern. Die Herausforderung erlebt sie als Eustress (guter, anregender Stress). Der Körper wird zwar auch erregt, aber nur soweit, um wach und klar die Herausforderung zu meistern. Die Gedanken richten sich auf die bevorstehenden Handlungen und auf frühere Erfolgserlebnisse. Die  Aufmerksamkeit ist konzentriert auf relevante Orte gerichtet. Dies zeigt sich auch im Verhalten der Pilotin. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird diese moderate Alarmreaktion ihre Leistung verbessern.

Distress wird durch einen Stressor ausgelöst. Dies ist ein Ereignis, welches das Gleichgewicht des Piloten stört und seine persönlichen Ressourcen stark fordert oder überfordert. Er muss etwas unternehmen, um sich an die neuen Umstände anzupassen. Die Fähigkeit, sich an rasch  verändernde Umstände anpassen zu können, ist elementar fürs Gesundbleiben des Lebewesens.

Im Rahmen meiner Abschlussarbeit > zum Mentaltrainer Sport IAP befragte ich 460 Pilotinnen und Piloten zu ihrem Befinden am Startplatz. Bei den Stressoren stachen zwei Kategorien hervor: 

  • Wind & Wetter, und deren korrekte Einschätzung
  • Hektisches Gedränge und Zuschauer

Rund ein Drittel der befragten Personen empfanden das dysfunktionale soziale Miteinander am Startplatz  als grössten Stressor. 

Stressbewältigung (Coping)

Gemäss den Psychologen Richard Lazarus und Kollegen spielt die persönliche Beurteilung einer Situation eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Distress und Eustress. Obwohl die Bewertung automatisch in Sekundenbruchteilen stattfindet und die entsprechende Emotion aktiviert, kann die Beurteilung mehrmals bewusst wiederholt werden: 

  • Stellt der bevölkerte Startplatz wirklich eine Gefahr dar, oder ist es mein Selbstwert, der durch einen Startabbruch vor Publikum bedroht wird? 
  • Wie kann ich mit dieser fordernden Situation konstruktiv umzugehen? 
  • Was passiert, wenn ich mich anstelle von hektischen Startvorbereitungen mal ein paar Minuten hinsetze und nur beobachte?

Und schon sind wir bei der Bewältigung von Distress angekommen – auch Coping genannt. Grob werden zwei Copingstrategien unterscheiden: Problem- und emotionsorientiertes Coping. Problemorientiertes Coping bietet sich an, wenn die Situation kontrolliert und verändert werden kann. Entweder verlässt man den Startplatz gleich wieder (Flucht) oder verjagt alle anderen Piloten (Kampf) – hört sich an einem guten Thermiktag auf der Fiescheralp wenig praktikabel an, oder? Zum problemorientierten Coping gehört des Weiteren das Einholen von mehr Information oder sozialer Unterstützung. Im Hinblick auf die Einschätzung des Wetters und des Gedränges verspricht das mehr Nutzen. 

Am vollen Startplatz handelt es sich um eine Situation, die man nicht kontrollieren und verändern kann, womit das emotionsorientierte Coping zum Zuge kommt: Wir ertragen die Situation so gut als möglich, deuten sie um und lenken uns ab.

Abb. 2: Das transaktionale Stressmodell nach Lazarus | Quelle: Philipp Guttmann, Wikimedia Commons

Aktive Veränderung von Emotionen        

Wenn man will, kann man seine Emotionen positiv beeinflussen. Man ist ihnen nicht passiv ausgeliefert. Dies nennt sich Emotionsregulation. Dazu ist jedoch – wie bei anderen Lernschritten im Flugsport – Einsicht, Wille und Übung erforderlich. 

Ausnahme: Bei tatsächlicher Überforderung aufgrund gefährlicher Meteo-Bedingungen ist die Stressreaktion sinnvoll und braucht nicht reguliert zu werden. Sie will das Leben des Piloten schützen! Man möge sich diesbezüglich die Weisheit vom frühen Piloten E. Hamilton Lee in Erinnerung rufen: 

«Don’t be a show-off.
Never be too proud to turn back.
There are old pilots and bold pilots,
but no old, bold pilots.» 

«Sei kein Angeber.
Sei nie zu stolz, um umzukehren.
Es gibt alte Piloten und mutige Piloten,
aber keine alten, mutigen Piloten.»

Hamilton wurde übrigens 102 jährig.

Wie könnte nun eine Emotionsregulation am hektischen Startplatz aussehen, an dem keine Meteo-Gefahren lauern? Auf folgenden Ebenen kann man eingreifen:

  • Körper
  • Verhalten
  • Aufmerksamkeit
  • Gedanken, Selbstgespräche, innere Bilder

Ideen zum Ausprobieren: 

Körperliche Erregung: 

Die Liste an Entspannungstechniken ist lang. Als hilfreich wird eine ruhige, tiefe Atmung und die bewusste Entspannung der Muskulatur beschrieben. Auch ein Lächeln im Gesicht und eine aufrechte Haltung entfalten Wirkung. Was passiert, wenn man eine Bewegung in Zeitlupe ausführt? Das Schliessen der Gurtschnallen oder das Anziehen der Handschuhe.
Der Wechsel von kurzzeitiger An- und Entspannung einzelner Muskelgruppen ist eine einfache Übung, die unter dem Namen Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach Edmund Jacobsen seit 1929 bekannt ist und seither in vielen Studien überprüft wurde. Die Wirkung von PMR setzt jedoch regelmässiges Training voraus. 

Aufmerksamkeit und Gedanken: 

Die Einstellung zur Emotion ist zentral. Keine Emotion dauert ewig an. An erster Stelle steht das bewusste und bewertungsfreie Wahrnehmen. Es ist hilfreich, die Emotion anzunehmen, wie sie ist. Paradox, aber oft wahr: Akzeptieren ist Verändern. 

Es ist wichtig eine Emotion in ihrer Funktion zu verstehen. Ein Selbstgespräch kann helfen: 

«Hallo Stress 🙂 Ich spüre dich heute als Klumpen im Bauch, flache Atmung, angespannte Gesichtsmuskeln und Zerstreuung. Es ist normal, dass du mich am Startplatz begleitest, wenn ich mich überfordert fühle. Ich bin stark genug, dich eine ganze Weile lang auszuhalten und ich weiss, wie ich dich verändern kann!». 

Durch eine bewusste Neubeurteilung der Situation und der eigenen Ressourcen ergeben sich Handlungsmöglichkeiten. 

  • Ist die Situation wirklich bedrohlich?
  • Was hilft mir, mit dieser Situation umzugehen?

Aufmerksamkeit kann aktiv dorthin gelenkt werden, wo sie zur Bewältigung der Situation hilfreich ist. Es macht einen Unterschied, ob man innere Bildern von Misserfolgen nährt oder ob man seine Aufmerksamkeit nach aussen richtet, die Berge und Wolken beobachtet. Was passiert, wenn man die Augen einen Moment lang schliesst und die Sonne und den Wind auf dem Gesicht spürt? 

Kehren wir nochmals zurück zu den 460 Pilotinnen und Piloten der Befragung. Folgende Antworten häufen sich auf die Frage: «Was tust du, damit du am Startplatz weniger Stress empfindest?» (in absteigender Reihenfolge) :

  • Geduld, Entspannung, innere Ruhe
  • Soziale Abgrenzung
  • Konzentration
  • Wind und Wetter sorgfältig einschätzen 
  • Atmung
  • Sorgfältige, ruhige Startvorbereitungen und Startcheck
  • Flugvorbereitung am Vortag und am Morgen
Foto: Andrey Vlasov | Klausenfliegen des GC Luzern, Startplatz Brunni

Meteo-Wissen und Groundhandling 

Im Falle von Unsicherheit beim Einschätzen der Meteo-Bedingungen ist längerfristig nur problemorientiertes Coping vom Typ «mehr Information einholen» erfolgversprechend: Mit vielen Jahren der Übung und Weiterbildung muss man seine persönlichen Ressourcen dahin bringen, dass man die Verhältnisse selbständig beurteilen kann. Da gibt es keine Abkürzung.

Der Einfluss von Zuschauern auf die sportliche Leistung ist übrigens seit über hundert Jahren Gegenstand von sportpsychologischer Forschung. Unter dem Begriff soziale Leistungsaktivierung (social facilitation) wird das Phänomen beschrieben, dass Personen einfache und/oder gut gelernte Aufgaben in Gruppen erfolgreicher bewältigen und mehr leisten als in Situationen, in denen sie alleine sind. Wird die Leistung durch eine Gruppe oder durch Zuschauer behindert, spricht man von sozialer Hemmung (social inhibition). Aktuell bietet die Sportpsychologie zur Wirkung von Zuschauern auf die sportliche Leistung drei Hypothesen an: 

  • Eine angeborene Reaktion des Organismus, unter Anderem zur Vorbereitung auf überraschende Handlungen des Gegenübers. Dominante Reaktionen werden verstärkt. (Robert Zajonc)
  • Eine Furcht vor Bewertung anderer, die gelernt wurde. (Nick B. Cotrell)
  • Ein Ablenkungs-Konflikt, weil die Aufmerksamkeit an die falschen Orte hin gelenkt wird. (Glenn S. Sanders)

Die Ergebnisse deuten in die Richtung, dass die Zuschauer bei gut geübten und einfachen Handlungen eher förderlich, bei wenig geübten und komplexen Handlungen hingegen eher hinderlich sind.

Regelmässiges Groundhandling lässt demzufolge aus einer wenig geübten eine gut geübte Handlung werden, auf die sich die Anwesenheit von Zuschauern womöglich positiv auswirkt.


Feedbacks und Erfahrungen gerne an: bendicht@chilloutparagliding.com >


Besten Dank

  • Dr. Urs Braun für die fachliche Begleitung
  • Mirjam Hempel für das redaktionelle Feedback
  • Carmen Tisch fürs Lektorat

Weiterführende Literatur

  • BASPO Bundesamt für Sport (Hrsg.) (2015). Psyche. Theoretische Grundlagen und praktische Beispiele. Magglingen: BASPO.
  • BERKING, Matthias (2017). Training emotionaler Kompetenzen. 4. Auflage. Berlin: Springer.
  • BRAUN, Urs (2010). Stress und Stressbewältigung. Angst beim Fliegen? In: Swiss Glider. Das Magazin des Schweizerischen Hängegleiterverbandes SHV. Nr. 5/2010, S. 20–27. | PDF > 
  • DATHE, Yvonne (2015). Aufwind im Kopf! Sicherer und besser fliegen mit Mentalem Training. 2. Auflage. Berghof: WinMental.
  • ERB, Bendicht (2020). Mentale Stärke im Stadion Startplatz. Psychologisches Training für Gleitschirmpilot*innen. Abschlussarbeit CAS Psychologisches & Mentales Training im Sport 10/19. Eingereicht am Institut für Angewandte Psychologie IAP, Zürich. | PDF >
  • GERRIG, Richard J. (2018). Psychologie. 21. Auflage. Hallbergmoos: Pearson.
  • HÄNSEL, Frank & BAUMGÄRTNER, Sören D. & KORNMANN, Julia M. & ENNIGKEIT,  Fabienne (2016). Sportpsychologie. Berlin: Springer.
  • KRIZ, Jürgen. (2014). Grundkonzepte der Psychotherapie. 7. Aufl. Weinheim: Beltz, PVU.
  • KRUMM, Rainer (2020). Mentales Training für Piloten. Stressfrei und sicher Fliegen. Stuttgart: Motorbuch Verlag.  
  • LALIVE, Maja & RAUCH, Jan (2018). Mental stark am Berg. Training, Technik, Theorie. Wie wir unsere Psyche bergfit machen. Bern: SAC-Verlag.
  • LEDOUX, Joseph (2016): Angst. Wie wir Furcht und Angst begreifen und therapieren können, wenn wir das Gehirn verstehen. Salzburg: Ecowin Verlag.
  • PETERMANN, Franz (Hrsg.) (2020). Entspannungsverfahren. Das Praxishandbuch. 6. Auflage. Weinheim: Beltz.
  • ROBAZZA, Claudio. (2006). Emotions in sport: An IZOF perspective. Literature Reviews in Sport Psychology. 127-158.
  • WENGENROTH, M. (2016). Das Leben annehmen : so hilft die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT). 3. Aufl. Bern: Huber.

Mentaler Fokus an der Prüfung

Eine Minute für mehr Konzentration

Prüfungssituationen können mit Stress verbunden sein. Für die einen ist dies positiv anregend und versetzt sie in den optimalen Leistungszustand. Für die anderen wirkt sich der Stress eher negativ aus und hindert sie daran, ihre wahre Leistung zu zeigen. Die gute Nachricht aus der Sportpsychologie: Mit einfachen Techniken kann man die Erregung regulieren. Aber es erfordert ein wenig Training vorher. Wir regulieren die Anspannung nicht mit «noch» mehr Denken, sondern setzen ganz konkret bei der Atmung und der Lenkung der Aufmerksamkeit an. Damit haben wir schon 2 von 4 mentalen Einflussbereichen abgedeckt (die andern beiden wären Selbstgespräch und Visualisierung). Sowohl die Atmung wie auch die Lenkung der Aufmerksamkeit finden in der Gegenwart statt. Dies ist der Ort, an dem wir am meisten Einfluss auf das Resultat der Prüfung ausüben können.

Ich möchte dir hier eine kleine Übung mit auf dem Weg geben. Du kannst sie problemlos in der Luft machen, wenn du Richtung Position für die Manöver oder Richtung Abbauraum fliegst. Sie dauert knapp eine Minute.

Ich wünsche dir ganz viel Erfolg an deiner Prüfung! Der Wetterbericht für Freitag, 31.1. sieht brauchbar aus.

Die Übung

  • Atme etwas tiefer ein als sonst und halte den Atem für 1 Sekunde. Atme laaaaaangsam aus und halte danach für 1 Sekunde, bevor du wieder einatmest. Wenn du magst, kannst du durch den Mund ausatmen, die Lippen leicht zusammenpressen und dabei ein Geräusch machen. Wie ein Ballon, der langsam die Luft verliert. Pfffffffffffffffff…
  • Wiederhole die Atemübung für 3-5 Atemzüge. Atme in einem Tempo, das angenehm für dich ist. Wichtig ist, dass das Ausatmen länger als das Einatmen dauert.
  • Fixiere mit deinem Blick nacheinander 5 Objekte in der Umgebung (z.B ein Haus, ein Schiff auf dem See, ein Baum, eine Wolke, der Gipfel eines Berges, das Ohr deines Schirmes, die Spitzen deiner Füsse, …).
  • Schliesse deine Augen und spüre den Wind im Gesicht.
  • Lächle für ein paar Sekunden 😀
  • Öffne deine Augen und konzentriere dich auf deine nächste Aufgabe der Prüfung.

Tipps

  • Übe bereits am Vorabend und auch auf dem Weg zur Prüfung.
  • Die Übung funktioniert auch im Bus nach oben oder beim Warten am Startplatz. Das Pffffffffffff beim Ausatmen kann man auch weglassen, wenn andere in der Nähe sind.
  • Du kannst die Bausteine auch einzeln oder in anderer Reihenfolge anwenden.
  • Die Übung funktioniert auch im Alltag
  • Du kannst ein kleines Objekt als Erinnerung ans Gurtezeug befestigen, damit du dich im Flug an die Übung erinnerst.

Technische Infos

Ziele:
Kleine mentale Erfrischung. Ein Schritt Richtung Entspannung. Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf das Hier & Jetzt.

Mentale Techniken:
Entspannungsatmung, Lenkung der Aufmerksamkeit, Embodiment

Dauer:
ca. 1 Minute oder weniger pro Durchgang


Entspannen und Einschlafen am Vorabend

Kennst du Autogenes Training? Seit rund 100 Jahren DIE Entspannungsübung im Westen. Wenn du magst, kannst du dich für 28 Minuten durch folgende Übung führen lassen:
Speziell zum Einschlafen: Autogenes Training >

Hinlegen, Zudecken, Kopfhörer aufsetzen, Autoplay im Youtube ausschalten, Starten, …wohlig warm und schwer Versinken…


Bänz Erb, Januar 2020

Ich absolviere zur Zeit ein CAS «Psychologisches & Mentales Training im Sport» IAP ZHAW.  Ab Sommer 2020 sind bei Chill Out Weiterbildungsangebote zu mentaler Stärke geplant – für alle Pilot/innen, vom Flugschüler über den Genusspiloten bis hin zum leistungsorientierten Piloten. Bis dahin schreibe ich an dieser Stelle in unregelmässigen Abständen Beiträge zu mentaler Stärke im Gleitschirmfliegen und werde mit einigen ausgewählten Pilot/innen und Sportler/innen meine ersten Erfahrungen sammeln.

Feedbacks, Fragen und Erfahrungen sind immer willkommen: bendicht@chilloutparagliding.com

 

 


 

Mein schönster Flug

Eine Visualisierung für mentale Stärke

Gleitschirmfliegen ist zu geschätzten 95% Kopfsache.

Es spielt eine zentrale Rolle, auf was ich beim Fliegen meine Aufmerksamkeit lenke, wie ich atme, welche Selbstgespräche ich führe und welche inneren Bilder ich entstehen lasse. Es ist ebenso entscheidend, welche Ziele ich mir setze, wenn ich etwas erreichen oder verändern will. An schlechteren Tagen geht es darum, Verantwortung für meine geistigen Prozesse zu übernehmen.

Selbstsichere und glückliche Pilot/innen machen dies oft schon unbewusst alles richtig und erleben jede Menge Flow (1). Mentales Training erübrigt sich. Gratulation. Geniesst es!

Vielleicht kommt irgendwann ein Knick in der Karriere und die Ausgangslage ist dann noch früh genug eine andere. Ich wünsche natürlich allen von Herzen, dass ihnen der Knick erspart bleibt! Die «Geknickten» hingegen wissen vielleicht schon, dass die erfolgreiche Überwindung eines Rückschlags sie zu reiferen Piloten macht.

Flow auf Knopfdruck? Nach vielen Gesprächen mit verschiedensten Pilot/innen kann ich sagen, dass die Realität der breiten Masse ein wenig anders aussieht. An gewissen Tagen ist auch bei mir der Wurm drin. Ich beobachte an mir die negative Angewohnheit, mich am Startplatz oder schon auf dem Weg dorthin zu verkrampfen. Ohne dass ich dies bewusst will, rufe ich vor meinem inneren Auge Misserfolge und Unfälle ab. Fliegen ist nun mal etwas anderes als Minigolf zu spielen oder ins Kino zu gehen. Manchmal haben andere Piloten am Startplatz nichts Gescheiteres zu tun, als über Unfälle zu «praschallern» und sich so gegenseitig mental herunterzuziehen. Dabei wäre die positive und konzentrierte Stimmung am Startplatz die Grundlage, um mit gutem Gefühl in die Luft zu gehen und den Flug schon von der ersten Sekunde an geniessen zu können.

Mit folgender Übung baue ich mentale Stärke auf und kann meinen Zustand vor dem Start positiv beeinflussen.

Die Übung

  • Suche dir einen gemütlichen und ungestörten Ort.
  • Setze oder lege dich bequem hin.
  • Entspanne dich. Lasse die Muskulatur im Gesicht hängen. Lasse die Schultern hängen. Entspanne den Bauch.
  • Schliesse die Augen.
  • Vertiefe deinen Atem für ein paar Züge. Mache zwischen dem Aus- und Einatmen jeweils eine kurze Pause (1 Sekunde). Die Ausatmung ist länger als die Einatmung.
  • Lass deinen Atem danach natürlich und frei fliessen, ohne ihn weiter zu beachten.
  • Erinnere dich an deine schönsten / besten / glücklichsten Flüge. Wann fühltest du dich glücklich, sicher und voller Selbstvertrauen? Egal, wie lang oder wie hoch der Flug war. Es zählt einzig das positive Gefühl. Lasse dir Zeit, bis die zugehörigen Bilder vor deinem inneren Auge auftauchen.
  • Wähle einen Flug aus
  • Versetze dich mental zurück in dein Gurtzeug und stelle dir den Flug so realistisch wie möglich vor. Schau dich in alle Richtungen um in deinen Erinnerungen.
  • Erlebe den Flug mit allen Sinnen: z.B. den Wind im Gesicht, die Feuchte der Wolkenbasis, das Schaukeln des Gurtzeuges, die Bewegungen des Schirmes in der Luft, vielleicht die kalten Finger oder die Sonne im Gesicht, die Düfte der Thermik, die Geräusche des Windes und des Varios, …
  • Wechsle nun in die Aussenperspektive: Stelle dir den Flug aus der Sicht eines Piloten vor, der hinter / neben / vor  dir fliegt.
  • Geniesse das Gefühl. Sauge es auf.
  • Gib diesem inneren Bild einen Code-Namen. z.B. «Schwarzhorn»
  • Verbinde dieses innere Bild deines schönsten Fluges nun mit einer Handlung deiner Startvorbereitungen: z.B. Rucksack abstellen, Helm anziehen, Schirm auslegen, … oder schon mit dem Moment, wenn du den Startplatz zum ersten mal siehst.
  • Ausleitung der Visualisierung: Vertiefe deine Atmung für ein paar Züge, balle deine Fäuste, spanne die Armmuskulatur an, ziehe die Arme an die Brust und lasse die Spannung los, öffne die Augen. Du kannst auch direkt ausleiten, indem du einfach die Augen öffnest.
    –––
  • Jedes Mal, wenn du nun diese eine Handlung am Startplatz tätigst, kannst du mit deiner inneren Stimme den Code-Namen aussprechen, die Augen kurz schliessen und das Bild deines schönsten Fluges abrufen. Je bunter und detaillierter das Bild ist, desto besser. Alle Sinne ansprechen.
  • Du kannst den Code-Namen und das innere Bild auch in der Luft aufrufen und dich damit mental neu ausrichten, falls du eine Erfrischung benötigst.

Tipps

  • Erwarte keine Wunder. Wirkung ist nur bei regelmässiger und konzentrierter Übung zu erwarten. Deshalb heisst es auch «mentales Training» und nicht «Alice-im-Wunderland-Getränk». Wir arbeiten hier an negativen Gewohnheiten, die wir uns womöglich lange unbewusst antrainiert haben.
  • Visualisiere deinen schönsten Flug immer wieder in Momenten der Entspannung (vor dem Einschlafen, in der Siesta, in der Sauna, auf der Couch, im Zug, beim Para-Waiting, an langweiligen Meetings, ev. sogar im Chill Out Bus nach oben …)
  • Ein Mensch deines Vertrauens kann dich auch durch die Übung führen.
  • Vielleicht möchtest du ein kleines Objekt an deine Ausrüstung hängen, das an deinen schönsten Flug erinnert (Schlüsselanhänger, mini Tierchen, kleines Bild, Gegenstand aus der Natur, kleiner Chill Out Kleber… )
  • Wenn die Übung nicht funktioniert, so kannst du sie auch etwas verändern, bis sie für dich passt.

(1) Flow (Psychologie), (englisch «Fließen, Rinnen, Strömen») bezeichnet das als beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung (Konzentration) und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit («Absorption»), die wie von selbst vor sich geht. Artikel Wikipedia >


Technische Infos

Ziel: Optimalen Leistungszustand mit allen Sinnen visualisieren und an die Startvorbereitung ankern.

Mentale Techniken: Entspannungsatmung, Visualisierung, Anker setzen.

Dauer: ca. 5-10 Minuten pro Durchgang


Bänz Erb, Oktober 2019

Ich absolviere zur Zeit ein CAS «Psychologisches & mentales Training im Sport» IAP ZHAW.  Ab Sommer 2020 sind bei Chill Out Weiterbildungsangebote zu mentaler Stärke geplant – für alle Pilot/innen, vom Flugschüler über den Genusspiloten bis hin zum leistungsorientierten Piloten. Bis dahin schreibe ich an dieser Stelle in unregelmässigen Abständen Beiträge zu mentaler Stärke im Gleitschirmfliegen und werde mit einigen ausgewählten Pilot/innen und Sportler/innen meine ersten Erfahrungen sammeln.

Feedbacks, Fragen und Erfahrungen sind immer willkommen: bendicht@chilloutparagliding.com


 

Ein Hike&Fly Märchen mit 3 Enden

Fiasko oder Flow? Du stellst die Weichen.

Es waren einmal zwei Hike&Fly Freunde…

Wir nennen sie Anna und Beat. Anna fliegt seit 4 Jahren Gleitschirm, macht am liebsten Hike&Fly’s an neue Startplätze und hält sich mit Bergläufen fit. Die Arbeit hat sie aufs Minimum zurückgeschraubt und kann unter der Woche mal einen guten Flugtag ausnutzen. Neue Herausforderungen machen ihr Spass. Beat fliegt seit 2 Jahren, kommt aber nur unregelmässig in die Luft, weil er im Job viel unterwegs ist. Harmonie in der Gruppe ist ihm wichtig, damit er sich entspannen kann. Ein paar Stunden Groundhandling würden ihm nicht schaden, hat sein Fluglehrer neulich zu ihm gesagt.

Die beiden haben am Vortag sorgfältig ein Hike&Fly auf die Hasenegg geplant. Beat ist sportlich nicht auf der Höhe und möchte deshalb nur 700 m Aufstieg und einen einfachen Startplatz. Anna will mehr Challenge und erhofft sich einen Thermikflug mit Toplande-Training. Die Hasenegg bietet beides. Somit stimmt der Plan für Anna und Beat.

Das Treffen

Nach einer Stunde Aufstieg bei angenehmem Tempo legen sie in einer Wegkehre eine Pause ein. Die Aussicht auf die verschneiten Viertausender ist prächtig. Eine schwarze Dohle landet und schüttelt kurz die Flügel, bevor sie wieder abhebt und hinter den Felsen verschwindet. Mit zügigen Schritten und den Klacken von Trekkingstöcken erscheinen die Vielflieger Christoph und Daniel:

«Kommt doch mit uns aufs Kranzbödeli! Nur 1’300 m Aufstieg. Der Klippenstart geht bei etwas Aufwind problemlos».

Crash

Welch eine Ehre, dass die beiden Talentierten sie mitnehmen wollen! Ohne zu zögern sagt Anna zu. Am meisten lernt man schliesslich von den Cracks. Beat schluckt leer und wagt sich nicht, Spielverderber zu sein. Er schweigt. Sein Bauchgefühl ist schlecht, doch im Job kann er bei neuen Verhandlungen auch keine Unsicherheit zeigen.

Christoph, Daniel und Anna ziehen zügig los und unterhalten sich über das bevorstehende Hike&Fly-Rennen namens Breithorn-Challenge.

Völlig erschöpft und 15 Minuten hinter der Gruppe erreicht Beat das Kranzbödeli. Nun überkommt ihn auch die Angst vor dem Klippenstart. Der Wind ist wechselhaft. Es gibt stabile Phasen, in denen ein Start Richtung Klippe auch für ihn machbar sein sollte. Die drei anderen sind bereits startklar und weisen auf das veränderte Wolkenbild hin. Es könne bald Überentwicklungen geben und wir wollen sicher nicht zu Fuss runter – Jetzt, da wir schon so lange hochgestiegen sind. Anna fragt Beat, ob er vor ihr starten möchte. «Geht nur, ich trinke noch was und komme dann gleich nach». Wenig später sind die drei Schnellen alle über die Klippe gestartet und drehen in der Thermik um die Wette.

Erschöpft, unterzuckert und durch das Wetter verunsichert macht Beat seine Startvorbereitungen flüchtig. Im wechselhaften Wind bricht er zwei Starts ab. Was denken bloss die anderen über ihn? Dann halt vorwärts starten und zügig losrennen. Beim dritten Anlauf murkst er den Schirm ohne Kontrollblick in die Luft und rennt über die Abbruchlinie hinaus ins Freie.

Sein Schirm zieht nach rechts. Beat blickt nach rechts und sieht die Felswand. Dann blickt er zum Schirm und sieht einen ordentlichen Verhänger auf der rechten Seite. «Scheisse, ich will nicht in die Felsen fliegen!». Er gibt im Stress so viel Gegenbremse, dass die Strömung auf der linken Seite abreisst. Nach etwas Trudeln kollidiert Beat mit dem steilen Gelände, rollt weiter und stürzt in einem schauerlichen Pack aus Pilot, Leinen und Gleitschirm in den Abgrund.

Als der REGA-Arzt endlich die Absturzstelle erreicht, kann er leider nichts mehr für Beat tun.

–––––
Oh nein, das ist aber ein schlimmes Ende. So endet kein Märchen! Das kann man nicht als Gutenacht-Geschichte zumuten. Versuchen wir es nochmals:

Cumulonimbus und Alpenrose

…Eine schwarze Dohle landet und schüttelt kurz die Flügel, bevor sie wieder abhebt. «Kommt doch mit uns aufs Kranzbödeli! Nur 1’300 m Aufstieg. Der Klippenstart geht bei etwas Aufwind problemlos».

Beat hört auf sein Bauchgefühl und traut sich zu sagen, dass ihn das Kranzbödeli womöglich überfordere und er lieber zur Hasenegg gehe. Er könne aber auch alleine weiter und wolle Anna nicht die Challenge verderben.

Somit trennen sich ihre Wege. Die Klack-Klack der 6 Trekkingstöcke entfernen sich rasch und auch der Alarm von Christophs Pulsmesser verstummt, da er sich wieder im gewünschten Trainingsbereich befindet. Beat steigt in gemütlichem Tempo weiter auf Richtung Hasenegg und beobachtet die Natur. Er ist enttäuscht, weil er den Tag gerne mit Anna verbracht hätte. Eigentlich hatten sie einen sorgfältigen Plan, der für beide gestimmt hätte.

Auf der Hasenegg angekommen legt sich Beat ins Gras des perfekten Startplatzes, beobachtet die Quellwolken und döst ein. Nach einer intensiven Arbeitswoche mit zwei Interkontinentalflügen holt sich sein Körper den nötigen Schlaf.

Anna, Christoph und Daniel sind auf dem Kranzbödeli angekommen und wollen das kurze Flugfenster vor den Überentwicklungen auszunutzen. Dank grossflächiger Thermik wollen sie möglichst weit das Tal hinauszufliegen. Richtung Interlaken sieht der Himmel besser aus. Also nichts wie los, auch wenn die Basis über dem Startplatz schon tief hängt und dunkel ist. So muss man nicht ewig in der Thermik drehen, sondern kann geradeaus fliegen. Wer in der Thermik dreht, fliegt schliesslich die halbe Zeit in die falsche Richtung, hat mal der A. von A. gesagt! Die drei drehen in der Thermik um die Wette und wollen vor der Talquerung möglichst viel Höhe machen. Mit der 45°-Regel nehmen sie es nicht so genau.

Es entfällt ihrer Aufmerksamkeit, dass in der Nähe eine erste Zelle ausregnet. Wie eine Flutwelle breitet sich die kalte Luft am Talboden entlang aus und verstärkt das Steigen unter den benachbarten Wolken – auch unter der Wolke über dem Kranzbödeli. Sie erreicht das Stadium Cumulonimbus und saugt die drei talentierten Vielflieger gnadenlos ein. Sie verlieren sofort die Orientierung. Trotz allerhand Abstiegsmanöver schreien die Varios wie verrückt im Aufwind von 25 m/s. Dummerweise hatte ein polnisch-deutsche Wettkampfpilotin im Jahr 2007 schon alles Glück dieses Jahrhunderts betreffend Gewitterwolkenflug aufgebraucht und somit ereilt Anna, Christoph und Daniel trotz Märchen das zu erwartende Schicksal bei einem rasanten Steigflug auf über 10’000 m ü. M., wo minus 50°C herrschen und die Luft zu dünn zum Atmen ist.

Irgendwann fällt auch diese imposante Gewitterwolke zusammen und spuckt drei vereiste und leblose Piloten aus.

Ein Donnergrollen weckt Beat aus seiner Siesta. Es beginnt jeden Moment zu Regnen. Oder sind das da hinten schon Hagelkörner? Nichts wie weg von dieser exponierten Stelle auf der Hasenegg! Beat nimmt den Wanderweg Richtung Tal unter die Füsse und erreicht im ersten Platzregen die Alp Oberberg. Aus einem der Schornsteine steigt Rauch auf. Beat mag diesen Geruch in der Nase.

Durchnässt sucht er Schutz unter dem Vordach dieser kleinen Alphütte und trifft spontan auf eine junge Frau, die gerade Wasser für einen Blumenstrauss holt. Sie heisst Heidi, streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht, lächelt verlegen und bietet Beat an, ins Trockene zu kommen und sich am Feuer aufzuwärmen …

–––––
Immerhin schon mal Happy End für Beat. Doch die Opferzahlen haben sich in dieser Version verdreifacht. Wir können das so nicht stehen lassen. In diesem Märchen fehlen die Bösen und somit muss auch niemand auf der Strecke bleiben. Das Teufelchen tritt aber versteckt in Erscheinung: Es lässt  unsere Piloten in der Gruppe Dinge tun, die sie alleine anders gemacht hätten.

Also versuchen wir im dritten Anlauf, dieses unsichtbare Teufelchen aus dem Märchen rauszuhalten. 

Beats Wecker geht nicht

Beat erscheint nicht am Treffpukt. Anna muss ihn aus dem Tiefschlaf klingeln. Sie starten verspätet und bemerken beim Abmarsch hinten im Tal, dass die Quellwolken schon bedrohliche Ausmasse angenommen haben. Nach einer halben Stunde Aufstieg entschliessen sich Anna und Beat, das Hike&Fly abzubrechen. Das Wetterradar zeigt im Westen schon erste Gewitterzellen. Wieder beim Auto äussert Beat die Idee, an den See zu fahren, kurz zu baden und dann in die Pizzeria zu gehen. Der nächste gute Flugtag komme bestimmt.

Kurz nach Einfahrt in die Stadt bleiben sie im Stau stecken. Ein Van aus Appenzell Innerrhoden blieb auf dem Bahnübergang stehen und wurde vom ICE 278 Interlaken–Berlin gerammt. Wieso mussten wir nur durch die Stadt fahren, fragt sich Anna?

Beat auf dem Beifahrersitz bemerkt das Schaufenster von Chill Out Paragliding und sieht auf dem Werbeplakat «Hike&Fly Know-How – Alles, was du für erfolgreiche Touren abseits des Rummels wissen musst ». Der Verkehr steht seit 5 Minuten. Anna und Beat gucken sich die Website auf ihrem Smartphone an, während im Radio rassige Musik erklingt:

  • Wer lernen möchte, eigene Touren an Orte abseits offizieller Startplätze zu planen, besucht den Theorie-Workshop einmal und geht auf eine Know-How Tour. Da kriegt man zu Beginn ein Fallbeispiel, wie das Märchen von Anna und Beat, dem man ein Happy End verpassen darf. Unterwegs gibt es 6 Inputs zu verschiedenen Themen. Nächste Termine: 21./22./23. Juni 2019.
  • Wer «nur» an einer geführten Tour ohne Inputs interessiert ist, besucht eine Guiding-Tour. Diese beginnt mit einem sorgfältigen Preflight Check und bietet reichlich Gelegenheit, sich auszutauschen. Nächste Termine: 20./21. Juli 2019.
  • Die Touren gibt es auf zwei Niveaus: Dohle und Adler. Wer mehr als 700 Höhenmeter machen möchte, geht zu den Adlern.
  • Auch selbständige Flugschüler/innen ab 40 Flügen und bestandener Theorieprüfung sind willkommen.
  • Wer sich das Wissen fürs effektive Ausdauertraining aneignen möchte, besucht das Training-Know-How mit Profitrainer Benu Senn. Nächster Termin: 21. September 2019

–––––
Oh, Entschuldigung, jetzt sind wir in die Schleichwerbung abgedriftet. (Der Stau war schuld.)

Zurück an die Hasenegg! Wir schulden den 4 Piloten ein Happy End.

Flow

…Eine schwarze Dohle landet und schüttelt kurz die Flügel, bevor sie wieder abhebt und hinter den Felsen verschwindet. «Kommt doch mit uns aufs Kranzbödeli! Nur 1’300 m Aufstieg. Der Klippenstart geht bei etwas Aufwind problemlos».

Anna hört ihre innere Hike&Fly-Athletin schon jubeln, sieht aber, dass Beat grosse Augen macht und die Lippen zusammenpresst. «Ich weiss nicht, Jungs.  Lasst uns das zuerst unter vier Augen besprechen», sagt Anna zu Christoph und Daniel. Die beiden Cracks gehen ein paar Schritte weiter, checken die Meteo-Apps und machen Balance-Übungen für ihre Koordination. Beat steht zu seinem Wunsch, die Tour wie geplant zu machen, erkennt aber auch Annas Bedürfnis, mit Leuten auf höherem Leistungsniveau unterwegs zu sein. Beide wollen schliesslich ihr freies Wochenende gut nutzen und etwas erleben.

Es folgt eine Denkpause …

Man soll auch wieder als Freunde vom Berg runter, sagt Anna. Sie schlägt den Cracks vor, in ihrem Tempo weiter auf’s Kranzbödeli zu gehen und dann auf eine Hanglandung bei der Hasenegg vorbeizuschauen. Beat schlägt vor, dass er beim Parkplatz lande und das Auto zurück nach Interlaken bringe. Anna könne mit den Cracks auf Strecke gehen. Sie treffen sich später noch alle auf ein Bier.

Das passt. Jeder hat nun eine Aufgabe, die seinem Niveau und seinen Erwartungen entspricht. Und trotzdem können sie zusammen bleiben oder sich später wieder treffen. Win-Win.

Während Beat auch die letzten Höhenmeter in seinem Tempo macht, legt Anna ein paar schnelle Intervalle ein. Das hat in kurzer Zeit eine ähnliche Wirkung wie der lange Aufstieg aufs Kranzbödeli. Sie machen Pause, Trinken und Essen, beobachten die thermischen Ablösungen am Startplatz und legen dann die Schirme aus. Schon bald nähern sich Christoph und Daniel aus der Luft und Üben sich im Hanglanden. Beat sieht beim Kontrollblick einen Verhänger und bricht den Start ab. Anna hilft ihm beim erneuten Auslegen und sagt, dass ihr dies auch zwischendurch passiere. Sobald Beat in der Luft ist, starten auch die drei anderen zu ihrem Streckenflug auf.

Beat fühlt sich wohl und fliegt ganze 1.5 h in der Thermik rund um die Hasenegg. Dies ist länger, als er jemals geflogen ist. Er wagt sogar die Talquerung zum Wirmschbühl. Dann gleitet er genussvoll ins Tal, und schwatzt am Landeplatz mit anderen Piloten. Er schreibt den drei anderen eine Nachricht:

«Fahre zum See, nahe des Landeplatzes. Kaufe kühles Bier und Essen. Kommt einfach, wenn ihr genug geflogen seid. Keine Eile.»

Anna hat Spass, mit den beiden Cracks auf Strecke gehen zu dürfen. Zu dritt ist das Auffinden der Thermik einfacher. Zudem kann sie die Linienwahl der beiden studieren, insbesondere die Schlüsselstelle über die Blynige Platte hat sie noch nie so elegant lösen können. Da ist sie oft im Lee des Talwindes abgesoffen. Wenns mal ordentlich böllert in der Thermik, hat Anna mehr Durchhaltewille, weil sie bei Christoph und Daniel von aussen sieht, dass es nur halb so wild ausschaut. Sie bemerken das bedrohliche Wolkenbild in den Bergen, doch zu diesem Zeitpunkt sind sie schon viele Kilometer Richtung Voralpen entfernt. In einer ruhigen Gleitphase checkt Anna das Wetterradar und beschliesst, mal Richtung Landeplatz am See auszugleiten. Denn der Outflow einer Gewitterzelle kann sich im Tal viele Kilometer weit ausbreiten und für Rodeo über dem Landeplatz sorgen. Christoph und Daniel vergleichen noch ihre Gleitzahlen im Vollgas und landen ein paar Minuten nach Anna auch beim See.

Beat steigt gerade aus dem See und lobt die milde Temperatur. Die Gewitter bleiben in den hohen Bergen hinten und fallen bald in sich zusammen. Dennoch macht sich in Interlaken etwas Outflow bemerkbar. Die verbleibenden Gleitschirme über dem Landeplatz müssen ein wenig Rodeo fliegen, kommen aber alle gut zu Boden. Christoph und Daniel verteilen Stilnoten. Mit einem kühlen Bier in der Hand ist dies ein unterhaltsames Schauspiel.

Beat stellt der Gruppe eine junge Frau vor, die er beim Einkaufen vorhin kennen gelernt hat und die auch unterwegs zu einem Bad im See war. Sie heisst Heidi und kam heute kurz in die Stadt, um Einkäufe für ihre Alphütte zu machen.

…und wenn sie noch nicht gestorben sind, dann fliegen sie noch heute.

–––––

So gefällt mir das Märchen. Jetzt kann ich gut einschlafen.

Noch ein Wort zum Teufelchen

Es kann schwierig sein, mich einer Gruppendynamik zu entziehen. Denn dies hat mit der Art zu tun, wie sich unsere Psyche in tausenden von Jahren organisiert hat. Experimente (1) haben gezeigt, dass im menschlichen Hirn das Belohnungszentrum aktiv wird, wenn wir einer Gruppe zustimmen. Dies unabhängig davon, wie gut der Entscheid der Gruppe ist. Wenn wir gegen die Gruppe stimmen, wird das Zentrum für sehr starke Emotionen aktiv, auch Gefahrenzentrum genannt (Amygdala). Zustimmung zur Gruppe fühlt sich angenehm an, Opposition kann Ängste wecken. 

Offene Kommunikation in der Gruppe kann hier die Weichen anders stellen. Doch dies erfordert einiges an Mut. Es braucht nicht nur «Balls» in ruppiger Thermik über schroffem Gelände, es braucht ebenso «Balls» bei der Kommunikation im übermütigen Rudel. Es macht Spass, in der Gruppe unterwegs zu sein und gibt auch mir ein geborgenes Gefühl. Bei Sportarten rund um den Berg schleicht sich jedoch des Öfteren das kleine Teufelchen ins Gepäck, sobald man in der Gruppe unterwegs ist. Noch schöner: Wenn zwei Gruppen sich ein inoffizielles Rennen liefern.

Einmal drin in der Situation ist es schwierig, das Problem zu erkennen. Die Wahrnehmung ist verzerrt. Möglich hingegen ist es, rückblickend die Situationen zu erkennen, in denen ich schlechte Entscheide treffe. Wie muss mein Märchen geschaffen sein, damit es Opfer gibt? Wo werden sie Weichen auf Problem gestellt?

Irgendwann gelingt es mir, diese teuflischen Situationen an Ort und Stelle zu erkennen.

  • Ich lege eine Verschnaufpause ein.
  • Ich werfe mein eigenes Denken wieder an (Ja, ist anstrengend, ich weiss.)
  • Ich nehme die Stellhebel der Weichen in die Hand. Es gibt immer mehrere Optionen. Plan A, Plan B, Plan C.

–––––

(1) Donelson R. Forsyth: Group Dynamics, 2019, S. 215

PS: Namen und Ereignisse in diesem Märchen sind frei erfunden. Parallelen zu realen Zwischenfällen wären zufällig.

Bänz Erb, Mai 2019


Welch eine Überraschung für den Autor. Ein Freund lässt sich durch das Märchen inspirieren und schreibt ein weiteres Ende:

Gedankenkreisen

von Jan Stahl, Juli 2019

Welch eine Ehre, dass die beiden Talentierten sie mitnehmen wollen! Ohne zu zögern sagt Anna zu. Am meisten lernt man schliesslich von den Cracks. Beat schluckt leer und wagt sich nicht, Spielverderber zu sein. Er schweigt. Sein Bauchgefühl ist schlecht, doch im Job kann er bei neuen Verhandlungen auch keine Unsicherheit zeigen. Dennoch sagt er zu mitzugehen aber behält es sich innerlich vor wieder herunterzulaufen, wenn er es sich nicht zutraut.

Christoph, Daniel und Anna ziehen zügig los und unterhalten sich über das bevorstehende Hike&Fly-Rennen namens Breithorn-Challenge.

Während dem Aufstieg gehen Beat viele einzelne Dinge durch den Kopf und er ist hin und hergerissen – er ringt mit sich selber, einerseits will er gegenüber den anderen nicht zeigen will, dass er eigentlich Angst hat aber auch gegenüber seiner Freundin möchte er nicht schwach oder als Spielverderber dastehen. Darüber reden getraut er sich nicht da seine Freundin ja schon weit vorab in einer anderen Welt mit den Cracks diskutiert und er sich hier fehl am Platze fühlt.

Völlig erschöpft und 15 Minuten hinter der Gruppe erreicht Beat das Kranzbödeli. Nun überkommt ihn auch die Angst vor dem Klippenstart. Der Wind ist wechselhaft. Es gibt stabile Phasen, in denen ein Start Richtung Klippe auch für ihn machbar sein sollte. Die drei anderen sind bereits startklar und weisen auf das veränderte Wolkenbild hin. Es könne bald Überentwicklungen geben und wir wollen sicher nicht zu Fuss runter – Jetzt, da wir schon so lange hochgestiegen sind. Anna fragt Beat, ob er vor ihr starten möchte. «Geht nur, ich trinke noch was und komme dann gleich nach». Wenig später sind die drei Schnellen alle über die Klippe gestartet und drehen in der Thermik um die Wette.

Beat ist körperlich und mental erschöpft. Er ist aber auch froh einen Moment für sich zu haben. Beat nimmt sich nach diesem Stress bewusst 5 Minuten Pause, atmet durch und isst etwas. Während dieser Zeit kommt er ein wenig zur Ruhe und kann die Situation noch einmal abschätzen.

Er beginnt mit seinen Startvorbereitungen. Dabei bemerkt er, dass er zittrig ist und sein Bauchgefühl rät ihm nicht zu starten. Beat setzt sich noch einmal hin, atmet durch schliesst kurz die Augen und prüft sein Bauchgefühl. Innerlich trägt Beat einen Kampf mit sich selber aus.

Beat spürt aber immer klarer, dass er den Flug mit dieser Ausgangslage nicht geniessen kann und entschliesst sich zusammenzupacken und wieder zu Fuss hinunter zu laufen.
Beim Abstieg geht das Gefühlchaos bei Beat erst recht los, einerseits ist er stolz auf sich, dass er eine Entscheidung getroffen hat – andererseits aber auch enttäuscht auf sich selber, dass er nicht gewagt hat zu fliegen. Es stäubt ihn dies zuzugeben – zuzugeben vor sich selber und danach so den anderen unter die Augen zu treten. Was denken die anderen beiden von ihm, halten die ihn für einen Schwächling und was denkt seine Freundin von ihm? Generell verflucht er das Fliegen, die Berge, das Wetter und generell ist alles Blöd.

Der einsame Abstieg ist zunächst eine enorme Qual in diesem Gefühlschaos aber langsam hilft ihm die Anstrengung auch sich auf etwas Anderes zu konzentrieren und er kann sogar einmal einem kleinen fetten Murmeltier zuschauen welches vor ihm in ein Loch zu flüchten versucht.

Da Gewitter hat nicht lange auf sich warten lassen und Beat findet Unterschlupf in einer einsamen Hütte……

–––––

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